Die erste Runde

Nachdem die Begrüßungsparty mit den Teilnehmern der neuen Reise am Sonntag bis 3:00 Nachts ging und sehr feucht-fröhlich war, fing der Montag doch eher träge an. Und bis die Gruppe dann endlich weg war, war es eh schon Mittag.
Also Dienstag los.
Wir sind schließlich in Afrika.

 

9:00. Endlich los. Noch voll tanken in Windhoek, und schon nach 20km biege ich auf die kleine D1958 Richtung Wilhelmstal ab. Für die nächsten 4 Tage wars das mit Asphalt. Und auch mit Straßenverkehr. Ab jetzt bin ich alleine unterwegs.
Die kleine Piste windet sich kurvenreich auf und ab durch das etwa 2000m hoch gelegene Khomas Hochland. Stellenweise erinnert der Pistenverlauf an die Nürburgring Nordschleife. Man kann es laufen lassen, es macht echt Laune, allerdings ist der Bremsweg mit der schweren LC8 enorm auf diesem feinem Schotter, vor allem bergab. Also aufgepasst!

Dann, nach etwa 100km, ändert sich die Landschaft langsam. Das Bergland bleibt zurück, es wird flacher. Die Piste geht jetzt durch Buschland, von vielen Trockenflußläufen durchzogen. Dann die ersten sandigen Abschnitte. Beruhigend, wie sicher Brigo unbeeindruckt durch den Sand zieht.
Hinter Wilhelmstal dann offene Ebene bis zum Horizont. Die C36 ist eine geschobene, harte Hauptpiste, Autobahnbreit. Mit 120 geht es langweilig nach Omaruru und weiter Richtung Uis, mein heutiges Etappenziel.
50km vorher wird es wieder interessant. Ich finde auf der Karte eine kleine Parallelpiste, die sich abwechslungsreich durch offenes Farmland windet. Hier leben arme Viehbauern, die mit Eselskarren auf der Piste unterwegs sind. Ein Dreispänner vor mir gibt Gas, als er mich von hinten nahen hört. Erstaunlich, aber die drei Esel bringen den Einachser auf locker 50 Sachen… Ich lach mich schlapp, überhole schliesslich, der “Fahrer” grinst und winkt.
Dann tauchet der Brandberg am Horizont auf. Ich stoppe, mir wird leicht flau, wenn ich an die morgige Etappe um diesen Riesen herum nach Norden denke.
Nach 400km bin ich der einzigste Gast im White Lady B+B in Uis. Bei einigen Windhoek Lager checke ich die Route für morgen doppelt und dreifach.

Uis->Grootberg

Bin früh wach. Frühstück mit viel Kaffee, Eiern und Speck und dann schnell los. Die ersten 20km breite Piste, 100kmh, die leichten Vibrationen des großen V2 beruhigen, die Anspannung weicht langsam einer erwartungsvollen Vorfreude.

Ich möchte heute südlich um den Brandberg herum, dann westlich vorbei nach Norden durchs Damaraland bis Pamlwag. Das mittlere Stück ist auf keiner Karte eingezeichnet. Ich habe präzise GPS-Daten von Ralf bekommen, der sich hier gut auskennt, aber der mich auch gewarnt hat, alleine dadurch zu fahren. Wenn sonst schon niemand in Namibia auf den kleinen Pisten herum fährt, ist hier überhaupt-niemand mehr unterwegs. Ein Fahrfehler, ein Sturz oder eine Panne können hier dramatisch Folgen haben.
Dennoch, ich werde die nächsten Monate viel alleine unterwegs sein. Ich muß beginnen, mich daran zu gewöhen, einen Stil zu entwicklen, mit dieser Anspannung klar zu kommen.
Muß lernen, alleine klar zu kommen.
Dank Sat-Phone und gut organisieter Luftrettung gibts hier noch einen gewissen doppelten Boden…

An der Brandberg West Mine, eine längst verfallende Kupfer- und Wolframmine, erreiche ich den Ugab River. Wie alle Flüsse in Namibia ein breites, sandiges und natürlich trockenes Flußbett. Hier versperrt eine kleine, hölzerne Schranke den Weg. Unter dem Strohdach einer Hütte sitzt eine Mama mit ihrem vielleicht 3-jährigen Kind. Sie steht auf, kramt einen Zettel und einen Stift hervor und kommt auf mich zu. Sie grüßt freundlich und fragt mich, ob ich eine Landkarte haben möchte!
Bin erstmal völlig verwirrt, dann kann ichs kaum glauben. Sie hat auf einem Blatt Papier eine recht genaue Skizze der Spuren jenseits des Ugab bis Twyfelfontain angefertigt, die sie mir geben will. Ich nehme sie natürlich, und trage mich dann in ein Formular mit Name, Kennzeichen, Datum, Uhrzeit und Fahrtziel Palmwag ein.

Die Schranke öffnet sich und ich tauche tief beeindruckt, und auch ein Stück beruhigt, in den Sand des Ugab ein.
Auf der anderen Seite verschluckt uns gleich eine schmale Schlucht mit einer steinigen, kurvigen Piste. Erster Gang ist hier asngesagt. Die Schlucht ist nur 10-20m breit, ich versuch nicht an an das Schild an der Schranke “Do not disturb the rhinos” zu denken…
Aber alles bleibt ruhig.
Nach 10km weitet sich die Schlucht zu einem Tal. Richtig grüne Bäume wachsen hier. Es muß kürzlich geregnet haben. Einige Oryxe erschrecken sich vor Brigo und laufen davon. Springböcke sind etwas neugieriger. Sie bleiben in sicherer Entfernung stehen und beobachten uns. Jetzt mündet das Tal in die offene Ebene.
Nach 20km einen Abzweig eine Gabelung mit zwei Möglichkeiten. Ich kann rechts abbiegen Richtung Osten nach Twyfelfontain. Allerdings habe ich auf meinen Karten nicht den geringsten Hinweis gefunden, daß man da durch kommt. Auch Ralf hat dort keine GPS-Daten. Der einzige Hinweis ist die Karte der Mama von der Schranke.
Oder links, Richtung Palmwag. Ralf fährt hier, ich habe GPS-Daten, außer einer Lücke von 10km in der Mitte. Diese Richtung erscheint mir sicherer, weil bestätigt. Aber es ist viel weiter bis zur C36.
Ich drehe mich herum, einmal ganz rum. Es ist wie in der Sahara. Bis zum Horizont nur Nichts. Irgendwie unheimlich, aber auch befreiend! Es gibt nichts anderes jetzt als dies.
Ich starte den Motor und fahre nach links.
Die nächste Stunde ist fast schon meditativ. Einsam führt die Spur durch weite, ruhige Ebenen. Windet sich mal einen Hügel hoch und auf der anderen Seite in die nächste Ebene wieder herunter. Tafelberge säumen den Horizont. Die Piste ist glatt, fester Boden, kaum Steine. Brigo fährt von alleine. Ein letzter Blick zurück, bevor der Brandberg hinter mir im Dunst verschwindet. Es ist ein Traum…

Oder ein Alptraum?

Urplötzlich geht es scharf links in ein schmales, grobsandiges Bachbett rein. Ich kriege die Kurve nicht ganz und Brigo steckt bis zu den Achsen fest im Sand. Bewegt sich keinen Millimeter mehr. Ganz cool bleiben. Ich weiß genau, was man jetzt machen muß, ertappe mich dennoch dabei, wie ich mit aller Kraft an der Karre zerre, natürlich ohne Ergebnis, außer, daß es plötzlich verdächtig im Rücken zieht.
Erstmal Pause, Schluck Wasser, Luftholen, dann mit System. Gepäck runter, Räder freibuddeln, zur Seite neigen und gezielt am Vorderrad rüber ziehen. Ok, wieder frei, uff.
Dann weiter, erstmal überhaupt in Fahrt kommen. Dieses Bachbett ist viel zu eng und kurvig für die schwere Kiste. Wenn ich mir aber die vielen unkontrollierten Moppedspuren hier von Ralfs letzter Tour so anschaue, müssen sich hier echte Dramen abgespielt haben. Bei dem Gedanken muß ich fast schon wieder grinsen. Eine kurzes gerades Stück genügt, um in den 2. Gang zu kommen, jetzt bloß das Tempo halten. Dann wieder normale Piste.

Es wird immer sandiger. Aber solange es nicht zu eng wird, gehts es erstaunlich gut. Ich stehe weit vorgebeugt in den Rasten, fräse mit schierer Kraft durch. Aber das schlaucht. Eine letzte längere Pause, bevor vor dem Huab-Flußbett meine GPS-Punkte enden und ich selber einen Weg suchen muß. Ausgerechnet dort, wo es am sandigsten ist.
Der Huab ist schon von weiten zu sehen. Eine mit dichtem, kurzem Wüstengras bewachsene Ebene senkt sich sanft hinunter ins Tal. Schon aus vielen km Entfernung erkennt man den breiten Streifen aus dichter Vegetation, Palmen, abgestorbenen Bäumen, Akazien und großen Sandhügeln, die wie gigantische Kamelgrashügel eine schöne Slalomfahrt erwarten lassen.
Ich setze mir den nächsten GPS-Punkt als Goto, 10km in Nord-Nord-Ost, und fahre los.
Der erwartete Slalom beginnt. Fahrzeugspuren gehen in unterschiedlichste Richtung. Ohne zu denken, versuche ich grob die Richting zu halten. Dann die ersten Stufen. Klar, ein Fluß hat eine Uferböschung. Es geht 10m steil runter. Dann bin ich drin im Fluß.
Hier ist wieder mehr Platz. Er ist etwa 100-300m breit. Der Boden besteht aus richtig schönem, gelben, feinkörnigen Sand, wie in der Sahara. Nicht mehr dieser grobe, graue Kies aus dem Bachbett.
Jetzt kommt wieder sowas wie Laune auf.
Geil, wie Brigo hier am Gas hängt. Der 2. Gang reicht locker für alles.
Aber ich muß auf der anderen Seite einen Ausgang finden. Überall nur senkrechte Böschung, 10m hoch. Fahre zuerst Richtung Westen, aber nach einigen km scheint mir das falsch. Der Fluß wird enger, immer mehr Bäume, abgestorbenes Holz. Elefantenscheiße, andere Tierspuren. Eine letzte Pause, kehrt, andere Richtung.
Dann endlich sowas wie ein Ausgang. Steil und auch noch mit eine Kurve auf halber Höhe geht sowas wie ein Weg die Uferböschung hoch. Schwer zu sagen, ob das mal Autos waren, oder ob da die Tiere hoch und runter laufen.
Fahre noch ein Stück weiter, finde aber nichts Besseres.
Ich bringe Brigo in Position 50m vor dem Weg. Mehr Anlauf geht hier an dieser Stelle nicht. 2. Gang, Vollgas. Der Desert baggert wie verrückt, schon nach wenigen Metern ist er raus aus dem Sand, die Karre schiesst los, fast zu schnell. Aber es klappt. Sekunden später sind wir oben, endlich raus aus dem Fluß.
Jetzt machts richtig Spaß. Auf dieser Seite ist der breite Uferstreifen fester. Die Richtung passt. Dann kommt noch ein Nebenarm des Huab, dort geht es leicht durch, weil er keine steile Uferböschung hat. Das Gelände wird jetzt wieder offener. Komplett offroad fahre ich auf meinen GPS-Punkt zu. Kurz vorher kommen von rechts wieder Fahrzeugspuren.
Bin wieder auf Kurs.
Mache Pause an einer alten Viehtränke. Ein paar Kühe glotzen mich blöde an. Ein Tümpel mit schlammigem, stinkendem Wasser und ein paar Bäume sind alles, was sie haben. Immerhin.
Die Landschaft hat sich seit dem Huab wieder völlig verändert. Nichts Grünes mehr, nur noch Geröll und Steine. Die letzten 30km bis zur Hautpiste sind sehr steinig mit vielen Querrinnen, aber nicht mehr eng.
Zügig erreichen wir am frühen Nachmittag die Hauptpiste. Seit die Mama uns die Schranke am Ugab River geöffnet hat, sind gerade vier Stunden vergangen. Mir kommt es vor, wie eine Ewigleit. Das waren ganz sicher die intensivsten Stunden, die ich jemals auf dem Motorrad erlebt habe.

Obwohl ich eine andere Lodge zum Übernachten anfahren möchte, fahre ich hoch bis nach Palmwag. Vor vielen Jahren war ich schon mal dort. Ich trinke zwei herrlich kühle Cola an der Bar. Am Nebentisch sitzen 4 Deutsche, die lauthals über die schlechten Strassen hier lamentieren und das es viel zu heiß ist. Ich packe ein und gehe.

Die Grootberg Lodge liegt nur 20km weiter. Ein echter Geheimtip, obwohl ich noch nicht genau wußte, warum.
Es geht Richtung Osten weg von der Hauptpiste, die nach Norden ins Kaokofeld führt. Eine breite Piste führt auf das Hochplateau, welches 600m über der Ebene liegt. Oben am Grootbergpass dann der Abzweig zur Lodge. Ein steiler, schmaler Weg überwindet die letzten Höhenmeter bis zur Abbruchkante.
Und genau dort ist die Lodge. Mir bleibt die Spucke weg. Die Aussicht in die Ebene ist gigantisch!
Die Zimmer sind alle einzelne, kleine Steinhüttchen, strohgedeckt, sehr liebevoll eingerichtet, mit einer kleinen Terasse, und alle direkt am Abgrund gebaut. Das Hauptgebäude mit Restaurant, Bar, Terasse und Pool steht dem in nichts nach.
Nach sehr herzlichem Empfang und einem kühlen Windhoek kann ich endlich im schönsten Pool Namibias den Staub aus den Poren spülen und die Gedanken schweifen lassen…
Was für ein Tag…
Sitze abends noch sehr lange auf der kleinen Terasse mit meinem mp3-Player unter einem völlig irrealen Sternenhimmel. Dieser Ort ist für Träumer…

Hier ist die Homepage der Grootberg-Lodge. Wird der Lodge in keiner Weise gerecht, aber soll wohl bald überarbeitet werden 😉

Grootberg->Etjo->Windhoek

Die zwei zurück liegenden Tage haben doch einige Spuren am Material hinterlassen.
Nicht am Motorrad, die LC8 läuft wie ein Uhrwerk, einzig der Reifenverschleiß macht mir etwas Sorgen.
Aber gestern Abend hat leider meine Kamera den Geist aufgegeben. Und der Tablet-PC muß auch dringend von Festplatte auf CompactFlash umgerüstet werden. Ok, es war gemein mit der Festplatten-Version in dieses Gelände zu gehen, aber in der ganzen Hektik vor der Abreise hatte ich es nicht mehr vorher geschafft. Immerhin kann man sagen, daß die Festplatte erstaunlich lang funktioniert. Nur bei ganz groben Schlägen kommt es gelegentlich zu Festplattenaussetzern. Bei normaler Pistenfahrt und erst Recht auf der Strasse funktioniert die Festplatte einwandfrei.

Ich starte spät, es fällt schwer, diesen Ort zu verlassen. Ziel für heute ist die Mount Etjo Safari Lodge. Es geht auf kleinen, interessanten Gravelroads durch hügeliges Farmland Richtung Südwesten. Leider stellt sich nach etwa 100km heraus, daß die auf der Karte aingezeichnete D2633 in echt nicht existiert. Das bedeutet einen Riesenumweg über Kamanjab. Es ist schon spät, ich muß die langweilige Hauptstrasse über Outjo nach Kalkfeld nehmen.
Die letzten 50km sind wieder ganz nett. Rote Lateritpisten durch abwechslungsreiches Buschland, ab und zu Giraffen und Zebras.
Die Lodge ist Luxus pur. Riesenzimmer mir Aircon, Luxusbad mit Whirlpool, Kühlschrank, Tresor. Viel zu viel für einen alleine. Der Riesengarten mit sehr großem Pool, natürlich topgepflegt, grenzt direkt an einen See mit Hippos. Dahinter beginnt der Safaripark, man kann also gemütlich im Garten sitzen, den Hippos zuschauen und dahinter die anderen Tiere beobachten. Echt nett.
Zeitgleich mit mir ist ein Bus mit 30 Chinesen angekommen. Jetzt rennen die wie die aufgescheuchten Hühner schnatternd und knipsend durch das Gelände. Während ich so am Hippopool sitze und die Ruhe geniesse, höre ich es hinter mit klicken. Hat mich doch so ein Chinese einfach geknipst beim Am-Hippopool-sitzen! Volles Kontrastprogramm zu gestern.
Glücklicherweise sind die bald müde und früh im Bett. Sitze noch lang am Hippopool unter den Sternen und höre Musik.
Am nächsten Morgen bin ich froh, bald wieder on-the-raod zu sein.
Die letzte Etappe bis zurück auf die Windhoek Mountain Lodge, beginnt unerwartet sehr schön. Die Piste verläuft die ersten 100km südwärts durch tierreiches Buschland. Es gibt keine Zäune mehr links und rechts der Piste. Die Tiere können sich frei bewegen.
Ich sehe Kudus, Oryxe, Springböcke, Warzenschweine, Erdmännchen, Giraffen, Zebras und Paviane. Leider erschrecken sie sich immer vor Brigo und hauen ab.
Und dann sind da noch die allgegenwärtigen Perlhühner! Sie lauern meistens regungslos in Gruppen zu 10-20 Tieren im Schatten eines Busches am Rand der Piste und haben es auf das nächste Motorrad abgesehen. Man sieht sie erst im letzten Moment, wenn sie wie die aufgescheuchten Hühner in alle Richtungen – und besonders vors Vorderad – davonrennen und flattern. Ist wie beim Moorhuhnschiessen, nur daß ich versuche, keins zu treffen.
Schildkröten gibts auch. Zuerst denkt man, da liegt ein Stein mitten auf der Piste und peilt eine Linie rechts vorbei an, wenn man so gemütlich mit 100 Sachen angefahren kommt. Kurz vorher steht der Stein dann auf, läuft nach rechts los genau in die angepeilte Spur und es kommt dann doch zu einem hektischen Ausweichmanöver.
Diese Etappe war also sehr unterhaltsam.
Nach vier Tagen und 1600km bin ich dann froh, nachmittags wieder zuhause zu sein. Erstmal in den Pool und dann in den Schatten auf die Wiese legen… Hier knipsen keine Chinesen… Ich denke daran, wie in Deutschland jetzt der Karneval tobt, und daß ich eigentlich nirgendwo anders sein möchte jetzt…

Inzwischen habe ich in Windhoek auch eine neue Kamera gekauft. Es gibts also demnächst wieder Bilder.